Leer
Du kennst sie doch auch:
Glücks-Seifenblasen, zerplatzte Liebesphrasen,
Worte, die wie Blätter der Herbstwind treibt,
die farbig und schön, doch dem Tode geweiht,
die noch nicht ahnen, dass der Winter naht,
der Dunkelheit bringt mit Kälte gepaart.
Worte gesagt, nur um das Schweigen zu meiden,
grautraurige Ängste in Farben zu kleiden.
Du kennst ihn doch auch:
Den See, gefüllt mit Tränen, geweint von jenen,
die sicher, die unverwundbar schienen.
Ja, Du warst doch auch schon einer von ihnen,
die die Liebe, das Leben genossen,
doch plötzlich von Finsternis umschlossen,
mit Leidgerölllawinen ins Tal geschossen,
in jähen Tränenströmen hinabgeflossen.
Du kennst das doch auch:
Wut bricht sich bahn, Scherbenberge aus Porzellan,
zerschlagen von Deiner, von ihrer Hand,
zerschlagen zur Rückkehr aus Wunderland.
Knietief steh ich nun in Asche und Schutt,
die Liebe zerstäubt, die Pläne kaputt.
Den Sommer verloren irgendwie, irgendwo;
ratlos, sprachlos, leblos - Tränen im Nirgendwo.
Die Glut längst erkaltet, den Alltag verwaltet.
Die Risse und Splisse im Mauerwerk
von uns ignoriert – aber nicht unbemerkt.
Einer der beiden Pfeiler brach entzwei;
welcher der beiden, das ist einerlei.
Dann stürzte es ein wie eine Kaskade,
zunächst das Haus, schließlich auch die Fassade.
Und so ist es bestellt, das Trümmerfeld.
Ich warte darauf, dass der Himmel zerfällt,
die Sonne zerbricht, die Sterne, die Welt.
Wellen, die alles, alles mit sich reißen,
finstere Reiter, die das Ende verheißen.
Doch nichts dergleichen – überhaupt nichts passiert:
Niemand hier – außer mir – hat dies Beben gespürt.
Unbeschwert und heiter dreht sie sich weiter,
die Welt, meine Welt, wie ich immer dachte,
in der ich lebte, liebte, weinte, lachte,
an der ich teilhatte, wo ich verortet war,
doch jetzt steh ich hier, Sperrmüll-Mobiliar.
Stehe hier, es ist kalt und ich bin allein.
Kein Wort, keine Geste kann Trost für mich sein.
Bin geschockt, resigniert, ja paralysiert.
Versuch zu begreifen, was mit uns geschah,
wie wurde aus blühendem Garten Hiroshima?
Ich hatte so sehr auf uns beide vertraut,
kein Netz, kein doppelter Boden war eingebaut.
Die anderen, ja die, aber wir doch nicht!
Doch nun ist es verglüht, unser ewiges Licht.
In meinem Kopf zanken sich wilde Gedanken:
Was haben wir denn beide so falsch gemacht?
Wie haben wir dieses Chaos in uns entfacht?
Wenn die Liebe geht, wer kann sie dann halten?
Kann man aus kalter Wärme Neues gestalten?
War es falsch, auf die eine Karte zu setzen,
dem Ideal blind hinterherzuhetzen?
Waren wir nicht wach, unsere Liebe zu schwach?
Vielleicht hätten wir Knautschzonen gebraucht,
wo sich die Beziehungskarosserie staucht,
doch Körper und Seele blieben intakt.
Gefühle in Airbags, in Watte verpackt.
Ein Rettungsschirm für den zeitigen Ausstieg,
wenn das Ich allzu oft über das Wir siegt?
Würden Gurte schützen, ein Herzhelm nützen?
Wäre es gut, mit Sollbruchstellen zu leben,
um sich zeitig die Ausstiegskugel zu geben?
Das Herz im steinernen Sarkophag verwahrt,
oder aus Blei gegossen, Hauptsache hart?
Dann wär die Verzweiflung jetzt nicht so massiv,
dieser Stich, dieser Schmerz nicht so unendlich tief.
Doch ich frag mich: Was jetzt? – was jetzt?
All dessen, woran ich, wir jemals geglaubt,
fühl ich mich nun höchst perfide beraubt.
Aber das ist ein Irrtum, es stimmt einfach nicht;
da war kein Dieb, kein Räuber, kein böser Wicht.
Niemand zwang uns, das Paradies zu verlassen,
unsere Liebe, unser Glück zu verprassen.
Und jetzt? Jetzt stehe ich hier. Neben mir.
Ich hab keine Zukunft – jedenfalls nicht mit Dir.
Verlorene Heimat, verwaistes Revier.
Mein Herz wie ein Stein, so leblos, so schwer.
Du bist weg. Du bist weg. Ohne Dich bin ich leer.